Gewalt gegen Einsatzkräfte (3)

Shownotes

Die Demokratie steht unter Druck: Inmitten globaler Krisen steigt die Zuneigung zu autoritären Positionen in der Gesellschaft, populistische Strömungen fordern Institutionen heraus und Menschen, die in Funktionen und Ämtern für den Staat tätig sind, sind zunehmend Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt. Von dieser Entwicklung sind auch Einsatzkräfte betroffen. Ob sie hauptberuflich oder ehrenamtlich für die Feuerwehr tätig sind, ob sie in der Stadt oder auf dem Land arbeiten: Immer mehr Aktive im Einsatzdienst äußern den Wunsch, sich auf potenziell gewalttätige Situationen vorzubereiten. Dabei geht es nicht nur darum, Deeskalationstechniken zu erlernen, sondern auch die eigene Rolle kritisch zu hinterfragen. Denn: Gewalterfahrungen können Vorurteile innerhalb der Gemeinschaft verstärken und bergen das Potenzial, die internen Strukturen der Einsatzorganisation erschüttern.

Ein Ereignis hat in diesem Zusammenhang zu einer politischen Diskussion geführt: gewaltsame Ausschreitungen in der Silvesternacht 2022/2023. Durch die Vermischung verschiedener Themen, missverständliche Daten und eine starke Emotionalisierung hat sich binnen kürzester Zeit der Fokus der Debatte verschoben: weg von der Gewalt hin zu Migration und Integration. Dabei wurden rassistische Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen geschürt. Aus dieser Gemengelage ergeben sich Fragen: Wie kann die Organisation ihre demokratische Kultur stärken, um möglichen Radikalisierungstendenzen in der Truppe entgegenzuwirken? Wie können Einsatzkräfte geschützt werden, aber auch aktiv dazu beitragen, Situationen zu deeskalieren? Und wie kann die Motivation für das Engagement in der Feuerwehr trotz solcher Herausforderungen aufrechterhalten werden?

TRANSPARENZ:

In dieser Episode kommen folgende Gesprächspartner:innen zu Wort:

Thomas Wittschurky, Deutscher Feuerwehrverband, Leiter des Fachausschusses Sozialwesen
Jana Lehmann, Wachabteilungsleiterin Berliner Feuerwache Schöneberg

Lars Oschmann, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands

Denny Saul, Projektreferent im Rahmen des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ beim Landesfeuerwehrverband Thüringen e.V.

Zu Beginn dieses Podcasts wird zur Veranschaulichung auf einen Ausschnitt aus der Tagesschau vom 2. Januar 2023 verwiesen: Timecode1: 00:07–00:15, Timecode 2: 00:39–00:54.

Außerdem werden Ergebnisse aus einer bundesweiten Befragung des Deutschen Feuerwehrverbands zum Thema „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ in Ausschnitten zitiert.

Auch um zwei Kampagnen geht es, die Öffentlichkeit herstellen: darunter zum einen das Projekt GewaltAngehen von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sowie zum anderen die Initiative Zusammen für mehr Respekt vom Bundesministerium des Innern und für Heimat.

Wenn es darum geht, das Phänomen „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ einzuordnen, verweist der Deutsche Feuerwehrverband in Sachen Ursachenforschung auf eine „Verrohung“ in der Gesellschaft. In diesem Kontext wird auch aus dem Beitrag „Bedrohung und Gewalt gegen politische Amtsträger*innen – Eine Gefahr für die Demokratie“ des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft verwiesen. Um die Thematik statistisch zu greifen, erfolgt der Verweis auf einen Beitrag des Redaktionsnetzwerks Deutschland sowie eine Untersuchung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat von 2022. Zudem werden Ausschnitte aus einem Vortrag Ahmad Mansours auf einem Bundesfachkongress des Deutschen Feuerwehrverbands zitiert.

Im Kontext potentieller Lösungsstrategien in Konfliktsituationen wird auf die Kontakthypothese von Gordon Allport hingewiesen.Um Annäherung und Begegnung auf Augenhöhe zu schaffen, werden in Berlin in Reaktion auf die Silvesternacht 2022/2023 beispielsweise Fußballturniere in ausgewählten Stadtvierteln veranstaltet. Eine Sensibilisierung für das Thema erfolgt zudem durch Öffentlichkeitsarbeit wie sie der Verein Helfer sind tabu betreibt. In der Praxis schaffen außerdem vereinfachte Meldesysteme eine Erleichterung für Einsatzkräfte.

Abschließend wird auf Studie der Universität Jena erwähnt, die untersucht hat, wie sich das Empathievermögen durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie entwickelt hat.

Dieser Podcast wird gefördert durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat im Rahmen des Bundesprogramms "Zusammenhalt durch Teilhabe (ZdT)". Die im Bundesprogramm geförderten Projekte der Landesfeuerwehrverbände Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben die Produktion inhaltlich beraten. Seit Februar 2024 hat sich die Zahl der durch ZdT geförderten Projekte von elf auf zehn reduziert, deswegen ist in den ersten Folgen noch von Projekten in elf Landesverbänden die Rede.

Transkript anzeigen

00:00:00: In diesem Podcast sprechen wir über die Feuerwehr. Aber wir sind anders. Hier geht es nicht um

00:00:12: Blaulichtalltag und Rettungsaktionen. Wir wollen ins Innere der Organisation schauen und fragen,

00:00:17: was hält Feuerwehr zusammen? Warum das wichtig ist? Ganz einfach. Feuerwehr ist Daseinsvorsorge und

00:00:24: geht uns deshalb alle an. Wenn polarisierende Debatten und Krise um Krise das Meinungsklima

00:00:29: verschärfen, schlägt sich das auch in Feuerwehren nieder und Konflikte sind vorprogrammiert. Dann

00:00:34: geht es darum, Spaltung und Vereinahmung zu verhindern und demokratische Grundwerte zu fördern. Wie

00:00:39: das gelingen kann, wollen wir die Fragen, die praktisch daran arbeiten. Du hörst Zukunft 112,

00:00:45: Zusammenhalt in der Feuerwehr. Dieser Podcast ist im Rahmen des Bundesprogramms Zusammenhalt

00:00:51: durch Teilhabe entstanden. Ein Programm des Bundesinnenministeriums und der Bundeszentrale

00:00:56: für politische Bildung. Dieses macht es sich zur Aufgabe des demokratische Miteinander in

00:01:01: Vereinen und Verbänden zu stärken und Projekte gegen diskriminierendes und demokratiefeindliches

00:01:07: Verhalten zu fördern. In dieser Folge geht es um ein Phänomen, dass Einsatzkräfte fortwährend

00:01:12: beschäftigt, gewalttätige An- und Übergriffe. Im Gespräch mit Expert*innen und Betroffen*innen

00:01:18: wollen wir verstehen, wie es zu diesen Situationen kommt, was sich für die oft ehrenamtlich

00:01:23: engagierten Einsatzkräfte bedeuten und wie die Auseinandersetzung darüber von undemokratischen

00:01:29: Akteur*innen instrumentalisiert wird. Dabei kommen verschiedene Perspektiven zu Wort.

00:01:34: Es liegt auf der Hand, wenn es um Gewalt gegen Einsatzkräfte geht, haftet vor allem

00:01:39: Ereignis aus der Vergangenheit im kollektiven Gedächtnis. Diese Westernacht 2022. Zum

00:01:45: Jahreswechsel flogen Feuerlöcher auf Einsatzwagen. Menschen wurden in Hinterhalte gelockt, mit

00:01:50: Feuerwerkskörpern beschossen und verletzt. Angriffe in einer neuen Dimension. Unvorstellbare

00:01:56: Gewalt gegen Einsatzkräfte, Gewaltorgien. Das war die oft gehörte Bilanz von Menschen

00:02:01: aus dem direkten Einsatzgeschehen, vor allem von denen, die in Großstädten aktiv waren,

00:02:05: insbesondere in Berlin.

00:02:07: Ja, 43 17, Nachalarmierung, Polizei. Vari-Kaden werden auf der Straße aufgebaut, mehrere

00:02:14: brenne Möttern und wir werden mit Pyrotechnikbeschossen kommen.

00:02:16: Es sind Jugendliche wirklich aus der Menge rausgerannt in unsere Richtung, um auf Augenhöhe,

00:02:21: um auf Gesichtshöhe auf uns zu schießen. Und dann haben sie ihre Schüsse abgegeben,

00:02:26: gezielt und sind wieder zurück in den Mop verschwunden. Und das war wirklich eine angsteinflößende

00:02:32: Situation.

00:02:33: Das sagt Barrichs Cobahn, Einsatzkraft in Berlin. Er beschreibt eine neue Qualität der Eskalation,

00:02:39: spricht von gezielten Angriffen. Seine Aussagen in diesem Interview werden später in den

00:02:44: sozialen Netzwerken genutzt, um Stimmung zu machen. Um zu agitieren gegen bestimmte

00:02:49: Gruppen, vor allem gegen Menschen mit Migrationsbiografie.

00:02:52: Barrichs Cobahn stellt daraufhin in einem weiteren Interview mit der Tageszeitung klar,

00:02:57: es habe vielfach Personen mit Migrationshintergrund gegeben, die Einsatzkräften das Leben retteten.

00:03:02: Er hätte gegenüber den Medien immer auch das positive genannt, Ausgewogenheit hergestellt,

00:03:07: aber das sei in der Berichterstattung nicht erwähnt worden.

00:03:09: Schnell wurde aus der Debatte um Gewalt, eine Debatte um Migration.

00:03:14: Diese Westernacht 2022 zeigt beispielhaft, wie Nachrichten, Auswahl und Kontextualisierung

00:03:20: die Geschehnisse im Nachgang weiter und weiter emotionalisieren. Eine sachliche Betrachtung

00:03:25: durch das sogenannte Framing, also die mediale Ramung, erschwert.

00:03:29: Geframed wird die Debatte durch missverständliche Daten, bestimmte Begriffe, die Erwähnung

00:03:34: der Nationalitäten angreifender, die thematische Verbindung verschiedener Inhalte.

00:03:38: Das verzerrt die Diskussion, schürt rassistische Ressentiments, spaltet und polarisiert.

00:03:44: Deshalb versuch diese Podcastfolge verschiedene Standpunkte zu spiegeln.

00:03:49: Auch um die Rolle von Einsatzkräften selbst soll es dabei gehen.

00:03:52: Darum, wie sie bestimmte Situationen durch Auftreten, Sprache und Haltung D oder eskalieren können.

00:03:59: Von vielen Feuerwehraktiven und politischen Entscheider*innen wurden die beschriebenen

00:04:02: Ereignisse nachträglich als Zäsur eingeordnet.

00:04:05: Dabei sind Gewalterlebnisse für Menschen im Einsatz und besonders im Rettungsdienst gerade

00:04:10: in Ballungsgebieten keineswegs neu.

00:04:12: Auch zum jüngsten Jahreswechsel 2023/2024 mehrten sich Schlagzeilen über Angriffe auf Einsatzkräfte.

00:04:19: Eine Resolution zum Schutz von Feuerwehrangehörigen verabschiedete der Deutsche Feuerwehrverband

00:04:24: KurzDEV bereits 2018. Hintergrund war ein hohes Maß an gewalttätigen Übergriffen.

00:04:30: Forderungen gegenüber der Politik und Gesellschaft wurden darin klar benannt.

00:04:34: Mehr Respekt vor Einsatzkräften, die Sensibilisierung der Bevölkerung,

00:04:39: eine effiziente Vermittlung von Werten, Strafverschärfung und Strafverfolgung

00:04:44: und eine gemeinsame Haltung und Überzeugung Feuerwehrkräfte nicht im Stich zu lassen.

00:04:49: Mitte 2022 wurde diese Resolution erneuert.

00:04:53: Welche interne Priorität das Thema genießt, zeigt parallel dazu ein weiterer Vorstoß des DFV.

00:05:00: Um alltägliche Erfahrungen von Feuerwehrkräften sichtbar zu machen,

00:05:03: wurde kürzlich eine bundesweite Befragung zum Phänomen Gewalt gegen Einsatzkräfte umgesetzt.

00:05:08: Die Ergebnisse liegen seit Ende 2023 vor.

00:05:12: An der Realisierung war unter anderem Thomas Wichogi beteiligt.

00:05:16: Der langjährige Geschäftsführer der Unfallkasse Niedersachsen hat bereits in den Jahren 2020 und 2023

00:05:23: Gewalt gegen Einsatzkräfte in seinem Bundesland intensiv erforscht.

00:05:27: Damals hat er vor allem zwei Entwicklungen beobachtet.

00:05:31: Also wir haben zwei erfreuliche Trends feststellen können gegenüber der Umfrage von 2020.

00:05:38: Das eine ist, dass es offensichtlich eine Sensibilisierung dafür gibt,

00:05:44: diese erlebten Gewaltvorfälle im Dienst auch zu melden.

00:05:48: Entweder den eigenen Führungskräften in der Feuerwehr,

00:05:51: aber eben auch den Dienst vorgesetzten in der Kommune oder sogar der Polizei.

00:05:58: Was auch zugenommen hat, ist der Wunsch, sich mit diesem Thema Gewaltprävention

00:06:07: im Vorfeld von Einsätzen stärker zu beschäftigen.

00:06:10: Also ich will nochmal eine Zahl nennen.

00:06:12: Mehr als 80% haben gesagt, dass sie die Situation für nicht vorhersehbar gehalten haben.

00:06:18: Also sie sind unvorbereitet in eine Situation geraten und diese nicht vorhersehbarkeit führt dann dazu,

00:06:25: dass man sich unter Umständen im Einsatz selbst in der Situation, in der konkreten Situation

00:06:30: vielleicht falsch verhält und hier Strategien zu erlernen, wie man sich in solchen Situationen

00:06:36: richtig und vor allem deeskalierend verhält.

00:06:38: Das ist der Wunsch vieler Feuerwehrangehöriger und das finde ich ist ein guter und positiver Trend.

00:06:44: An den niedersächsischen Studien haben sich etwa 2500 aktive Beteiligt.

00:06:50: Auf Bundesebene waren es nun 6500.

00:06:53: Die Kernbotschaft der Untersuchung, mehr als 90% der befragten Gaben an,

00:06:58: in den letzten zwei Jahren Beschimpfungen und Beleidigungen mit Worten und Gesten

00:07:02: im alltäglichen Dienst erlebt zu haben.

00:07:04: Verbale Gewalt ist also das zentrale Problem.

00:07:07: Zwei Drittel erklärten zudem, dass Verweigerung, Widersetzen oder fehlende Kooperation

00:07:12: eine Herausforderung bedeuten.

00:07:14: All das bildet im großen Maßstab ab, was Thomas Wichogi bereits auf Länderebene erruiert hat.

00:07:19: Bei seinen Ergebnissen hat ihn vor allem ein Fakt fassungslos gemacht.

00:07:24: 31% der Befragten haben angegeben, dass ihnen angedroht worden ist,

00:07:29: mit einem Kraftfahrzeug angefahren zu werden.

00:07:32: Da steht im engen Zusammenhang zum Beispiel mit der Durchsetzung von Straßensperren,

00:07:36: die wegen der Feuerwehreinsätze erforderlich werden.

00:07:39: Und 6% haben sogar mitgeteilt, dass sie von einem Kraftfahrzeug angefahren worden sind.

00:07:45: Das sind zwei Umfrageergebnisse, die uns sprachlos gemacht haben.

00:07:50: Zunehmend spielen die sozialen Medien eine große Rolle.

00:07:55: Über Beschimpfungen, Beleidigungen und sogar Bedrohungen in den sozialen Medien

00:08:00: haben 18% der Umfrage teilnehmenden berichtet.

00:08:04: Dazu muss man wissen, dass es natürlich auch Foren und Chatgruppen gibt,

00:08:09: auf dem man im Normalfall gar keinen Zugriff hat.

00:08:11: Also auch hier vermuten wir noch ein großes Dunkelfeld.

00:08:14: In der bundesweiten Befragung berichteten sogar etwas mehr,

00:08:17: knapp 36% von der Drohung angefahren zu werden.

00:08:22: Die sozialen Medien wurden ebenso von ca. einem Viertel

00:08:25: als Problemort von Hass und Verbalergewalt beschrieben.

00:08:28: Die detaillierten Ergebnisse werden in den Shownotes dieser Folge verlinkt.

00:08:32: Sowohl in Niedersachsen als auch in der groß angelegten DFV-Befragung

00:08:36: wurde die Unvorhersehbarkeit von Übergriffen als essenzielles Problem beschrieben.

00:08:40: Die Ergebnisse machen also deutlich, wie sicherheitsrelevant Präventionsarbeit ist.

00:08:45: Denn, unvorbereitet in den Einsatz zu gehen,

00:08:47: kann unter Umständen das Unfallrisiko erhöhen, meint Thomas Wechurgi.

00:08:51: Er beschreibt diesen Komplex zudem als zweischneidig.

00:08:54: Zum einen sei ein aktiver Umgang für die einzelne Einsatzkraft entscheidend,

00:08:58: zum anderen sei die Thematik gesellschaftsrelevant.

00:09:02: Deshalb braucht es nicht nur eine individuelle Problemlösungskompetenz,

00:09:05: Stichwort Trainings, den wir uns später noch einmal genauer zuwenden wollen,

00:09:09: sondern auch öffentlichkeitswirksame Aktionen nach außen.

00:09:13: Dazu gehören Kampagnen wie Gewaltangehen

00:09:15: von der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung

00:09:18: oder das Projekt Mehr Respekt des Bundesinnenministeriums.

00:09:22: Hier erzählen Einsatzkräfte aus ihrem Alltag und bekommen ein Gesicht,

00:09:25: persönlich und emotional.

00:09:27: So lautet die Antwort auf gesichtslose Uniformierung und gleichlautende Kommandos,

00:09:32: die Einsatzkräfte in der Anonymität verschwinden lassen.

00:09:35: Verstärkt soll deutlich werden, unter jedem Helm, in jedem Einsatzwagen sitzen Menschen.

00:09:40: Sie können unsere Nachbarn, unsere Nachbarinnen sein,

00:09:43: ob ehrenamtlich oder im Hauptberuf.

00:09:45: Sie übernehmen diese Aufgabe, die auch eine Selbstgefährdung bedeuten kann,

00:09:49: im Sinne des Gemeinwohls.

00:09:51: Auch Jana Lehmann begleitet die beschriebenen Entwicklungen in zweifacher Hinsicht.

00:09:55: Zum einen als Wachabteilungsleiterin der Berliner Feuerwache Schöneberg,

00:10:00: zum anderen mit wissenschaftlichem Blick.

00:10:02: Sie schreibt eine Masterarbeit im Fach "Internationale Kriminologie zum Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte".

00:10:09: Gleichzeitig führt sie als Beamten eine 13-köpfige Wachabteilung.

00:10:12: Jana Lehmann koordiniert den Wachbetrieb während der Schicht

00:10:15: und besetzt parallel als Staffelführerin das Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug.

00:10:20: In ihrer Wahrnehmung erzeugen Große Eignisse, die eskalieren punktuell Aufmerksamkeit,

00:10:25: wie zum Beispiel in den Silvesternächten.

00:10:27: Der rauere Umgangston und handfeste Angriffe äußerten sich im alltäglichen Dienst der Berufsfeuerwehr,

00:10:32: jedoch noch einmal ganz anders.

00:10:34: Für mich hat sich in meinen Forschungen dargestellt,

00:10:37: dass diese Silvesternachtsausschreitungen ein losgelöstes Phänomen sind

00:10:42: von dem, was die Einsatzkräfte so tagtäglich an Gewalt erleben.

00:10:45: Ich habe einen Kollegen auch zu dem Thema jetzt interviewt,

00:10:48: der eben sagte, dass er in gewissen Regionen von Berlin oder in gewissen Gebieten,

00:10:52: dass es für ihn da auch einfach normal war, dass er da angeschbuckt wird oder ähnlich ist,

00:10:56: dass sie ihm mit absoluter Respektlosigkeit begegnen, dass das einfach die Normalität ist.

00:11:01: Dass das, was in den Medien dargestellt wird, diese Silvesterausschreitung,

00:11:05: das ist ja nur die Spitze des Eisbergs, sage ich mal.

00:11:07: Das ist nicht das, womit die Einsatzkräfte sich wirklich 365 Tage im Jahr

00:11:12: irgendwie auseinandersetzen müssen.

00:11:13: Das Problem ist eigentlich meiner Meinung nach viel größer, als es dargestellt wird.

00:11:17: In Leitfaden Interviews hat Jana Lehmann Menschen

00:11:20: in verschiedenen Feuerwehrpositionen zum Thema befragt.

00:11:23: Sie alle schildern ähnliche Szenen, wenn es um Übergriffe geht.

00:11:26: Sie sprechen von banalen Situationen, die sich hochschaukeln,

00:11:30: von einer angespannten Grundstimmung.

00:11:32: Auseinandersetzungen reichen dann von verbalen Attacken und Drohungen bis hin zu tätlichen Angriffen,

00:11:37: so wie in ihrer Erzählung.

00:11:39: Das Branchenmedium Feuerwehrmagazin sammelt und dokumentiert solche Vorfälle.

00:11:43: Es finden sich Beispiele aus Großstädten, aber auch Fälle aus dem ländlichen Raum,

00:11:47: von Menschen aus Berufsfeuerwehren, die als Beamten*innen mit einem ganz anderen Selbstverständnis

00:11:52: in den Dienst gehen, als jene 95% aller Brandschutzaktiven,

00:11:56: die freiwillig und ehrenamtlich engagiert sind.

00:11:59: Um das Spektrum der Grenzüberschreitungen zu verdeutlichen,

00:12:02: klingen hier einige Szenen aus dem Jahr 2023 an.

00:12:06: Nach einem Angriff auf einen Mitarbeiter der Feuerwehr Bottrop hat die Stadt Strafeanzeige

00:12:12: gegen die mutmaßliche Angreiferin erstattet.

00:12:15: Die Frau soll den Mann gegen den Oberkörper getreten haben.

00:12:19: Auf dem Rückweg von einem Einsatz ist ein Fahrzeug der freiwilligen Feuerwehr Bühl

00:12:24: von unbekannten mit rohen Eiern attackiert worden.

00:12:28: Bei dem Vorfall entstand ein Sachschaden.

00:12:30: Während Kräfte der Berufsfeuerwehr Rostock am Dienstagabend

00:12:34: zwei brennende Wertstoffton löschten,

00:12:36: attackierte eine Jugendliche die Einsatzkräfte mit einem Messer.

00:12:40: Vorfälle wie diese drücken sich auch in handfesten Zahlen aus.

00:12:44: Etwa in den polizeilichen Kriminalstatistiken der Länder

00:12:47: oder einer Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland von 2022.

00:12:52: Laut dieser wurden in allen 16 Bundesländern mindestens 80.000 Menschen im Dienst angegriffen.

00:12:57: Ziel waren rund 76.000 Polizisten und Polizistinnen,

00:13:01: 1.000 Menschen in der Feuerwehr und 2.100 andere Rettungskräfte.

00:13:06: Eine steigende Tendenz sei den Ergebnissen nach in allen Bundesländern zu beobachten.

00:13:11: Außerdem gehen die Verfasser*innen von einer deutlich höher liegenden Dunkelziffer aus.

00:13:16: Gewalterfahrungen beginnen dabei weit vor dem tätlichen Angriff.

00:13:19: Unterschiedliche Formen zu klustern sei gar nicht so einfach, meint Jana Lehmann.

00:13:23: Sie unterscheidet in ihrer Analyse zunächst grundlegend zwischen

00:13:27: psychischer Gewalt in Form von Beleidigungen und Betrohungen

00:13:31: und physischer Gewalt, also körperlichen Angriffen.

00:13:34: Darüber hinaus bezieht sie in ihrer Untersuchung Gewaltsituationen ein,

00:13:38: die der Soziologe Randall Collins definiert.

00:13:40: Und sie verweist auf die sogenannte Schmerzgrenze des Facharztes Joachim Bauer.

00:13:45: All diese Faktoren ergeben ein gutes Bild, was im Erleben von Gewalt eine Rolle spielt.

00:13:49: Nämlich, dass eben die Predispositionen der einzelnen Personen, die dabei sind,

00:13:54: natürlich ausschlaggebend ist und also wen haben wir da,

00:13:58: in was für ein Setting findet, das ganze Stadt gibt es eventuell im Publikum,

00:14:02: vor dem man in eine gewisse Rolle wahren will oder wo man sich auch über Konsequenzen Gedanken machen muss.

00:14:08: Also es fließt so viel in so eine Situation ein

00:14:10: und eben auch die Schmerzgrenze, dass jeder für sich so eine Schmerzgrenze hat,

00:14:15: wo das fast sozusagen überläuft und man dann explodiert.

00:14:17: Und dass das teilweise in Situationen auch passiert,

00:14:21: die eigentlich total banal im ersten Moment sind,

00:14:25: aber in dem Moment für die eine Person eben da der Punkt angekommen ist,

00:14:30: wo sie einfach nicht mehr können, wo alles rausbricht oder sich alte Aggressionen entladen.

00:14:36: Apropos banal, im Gespräch mit Jana Lehmann nimmt vor allem ein Faktor viel Raum ein,

00:14:40: der vielleicht nicht als allererstes Problem offenkundig ist.

00:14:44: Sie erklärt oftmals eskalierten Situationen im Berliner Einsatzalltag,

00:14:48: die für Hilfesuchende zwar Notfälle darstellen,

00:14:51: für Einsatzkräfte jedoch in eine ganz andere Kategorie gehörten.

00:14:55: Warum die Leute die Feuerwehr rufen, ist halt auch ein Riesenproblem in dem Ganzen,

00:14:58: dass die Leute wirklich mit eingewachsene Fingernägel ins Krankenhaus gebracht werden

00:15:04: oder wegen Halsschmerzen die Feuerwehr rufen.

00:15:06: Es nimmt wirklich drastische Zustände an und das fordert die Kollegen enorm

00:15:11: und frustriert natürlich auch.

00:15:13: Und wenn dann aber umgekehrt die Kollegen eben mal ansprechen, die Leute darauf,

00:15:17: dass das jetzt vielleicht nicht unbedingt was für die Feuerwehr ist,

00:15:20: dass wir eben für Notfälle da sind, wo es wirklich akut auch um Leben und Tod geht,

00:15:25: dass wir ausgebildet sind, um eben lebenserhaltende Sofortmaßnahmen einzuleiten

00:15:29: oder wenn eben Herzenfarkt stattgefunden hat oder ähnlich ist,

00:15:33: dass wir einfach wissen, wie wir die Leute betreuen und sich ans Krankenhaus bringen können

00:15:37: und nicht dafür da sind, Taxi zu spielen.

00:15:40: Da werden dann auch die Leute schnell mal unhöflich, sag ich mal,

00:15:45: und haben dafür eben kein Verständnis.

00:15:46: Und ganz schlimm sind vor allem die Leute, die ihr selber gar nicht betroffen sind.

00:15:50: Also die Dritten, die vielleicht sich gerade gestört fühlen,

00:15:52: weil sie gerade nicht die Straße lang fahren können,

00:15:55: wo sie jetzt durch möchten, weil da gerade ein Einsatz ist.

00:15:58: Die sind auch schnell mal sehr unwirsch, sag ich mal.

00:16:03: Unwirsch, das ist in diesem Zusammenhang diplomatisch ausgedrückt.

00:16:07: Immer wieder beobachte Jana Lehmann

00:16:09: wie Erwartungshaltung und Realität im Einsatzalltag kollidieren.

00:16:13: Sowohl auf Seiten in notgeradener Menschen

00:16:15: als auch bei Helferinnen und Helfern selbst.

00:16:18: Triehbücher aus Hollywood und Co. hätten dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet, sagt sie.

00:16:22: Und ja, wir alle kennen diese Szenen.

00:16:25: Eine Einsatzkraft rennt in das brennende Haus

00:16:27: und kommt wenig später mit Kind auf dem Arm wieder heraus,

00:16:30: vielleicht sogar ohne Atemschutz.

00:16:32: Das ist natürlich Realitätsfern.

00:16:34: Das echte Blaulichtleben sei häufig wenig klamorös,

00:16:37: meint Jana Lehmann.

00:16:38: Oft wird eine Menge Parallelwissen abverlangt.

00:16:41: Stress, Anspannung und Versagensängste kommen in Drucksituationen hinzu.

00:16:45: Das könne wiederum Potenzial bergen,

00:16:47: dass Dinge aus dem Ruder laufen.

00:16:49: Das finde ich ist eigentlich die größte Herausforderung in allem

00:16:52: für die Kollegen, dass sie alles können sollen.

00:16:56: Sowohl Brandbekämpfung, technische Hilfeleistungen als auch Rettungsdienst.

00:17:00: Aber erstens in diesem hohen Einsatzaufkommen

00:17:06: gar nicht so die Möglichkeit haben, das auch häufig und konsequent zu üben.

00:17:10: Und dann eben diese Extremsituation ja auch wirklich so selten sind,

00:17:14: dass man dann auch erst mal wieder überlegen muss, okay, wie war das jetzt eigentlich?

00:17:17: Und ich glaube, die Vorstellung ist einfach bei den Leuten,

00:17:20: die eben gar nicht über die Strukturen und das Arbeiten Bescheid wissen,

00:17:24: die haben einfach die Vorstellung, wir können alles, wir wissen alles.

00:17:27: Und die haben natürlich den Anspruch, dass wir wissen, wie man helfen kann.

00:17:32: Und dass wir immer die Notlösung parat haben und im Zweifel,

00:17:35: dass wir ja auch zaubern können.

00:17:36: Und das klappt natürlich nicht immer.

00:17:38: Also wir sind natürlich erstens, wir auch nur Menschen mit beschränkten Möglichkeiten.

00:17:42: Und manchmal können auch wir einfach nichts mehr tun.

00:17:44: Und ich glaube, die Vorstellung ist einfach da, dass wenn wir kommen,

00:17:47: dann wird alles gut.

00:17:48: Und das können wir natürlich nicht immer garantieren.

00:17:50: Es gibt auch Sachen, da kann die Feuerwehr einfach nichts mehr machen.

00:17:53: Die Erkenntnis darüber können Situationen zusätzlich eskalieren lassen.

00:17:57: Neben enttäuschter Selbst- und Fremdarwartung gibt es auch noch andere Ansätze,

00:18:01: um das Phänomen zu erklären.

00:18:03: Der Deutsche Feuerwehrverband spricht etwa von einer Verrohrung

00:18:06: und spielt damit auf gestiegene Fallzahlen in Sachen Gewalt gegen Menschen im öffentlichen Dienst an.

00:18:12: Ob sie in der Feuerwehr als Rettungskräfte im Veterinär- oder Ordnungsamt

00:18:16: oder auch im Justizvollzug arbeiten.

00:18:18: Fast ein Viertel der Beschäftigten hat bereits Beleidigungen, Betrogen oder tätliche Gewalt erfahren.

00:18:24: Das hat eine Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums 2022 ergeben.

00:18:29: Diese Grenzüberschreitungen werden dabei auch in Verbindung mit multiplen Krisen gebracht.

00:18:34: Ob Corona, Wirtschaft, Migration, Krieg oder Klima.

00:18:38: Die globalen Herausforderungen sind enorm und ereignen sich quasi zeitgleich.

00:18:42: Hinzu kommt Desinformation im digitalen Zeitalter.

00:18:46: In diesem Spannungsfeld polarisierender Themen hat sich zudem ein Wandel vollzogen.

00:18:51: Die soziale Ungleichheit nimmt zu und damit auch das Protestpotenzial.

00:18:55: Das beschreiben Peter Imbusch und Joris Steg von der Bergischen Universität Wuppertal

00:19:00: im Beitrag "Betrohungen und Gewalt gegen politische Amtsträger*innen.

00:19:04: Eine Gefahr für die Demokratie".

00:19:06: Die Bankenkrise 2008 markieren sie als einen Startpunkt, kontinuierlich fortlaufender Krisen.

00:19:12: In der beschriebenen Gemengelage habe sich laut den Autoren in den letzten Jahren eine lautstarke,

00:19:17: heterogene, außerparlamentarische Oppositionsbewegung gebildet,

00:19:21: die antidemokratische Züge aufweist.

00:19:23: Das kann auch sinkende Hemmschwellen implizieren.

00:19:26: Diese erlebt auch Lars Oschmann.

00:19:28: Er ist Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands und Sprecher der dort angesiedelten Arbeitsgruppe "Gewalt gegen Einsatzkräfte".

00:19:34: Der Rechtsanwalt und Pfarranwalt für Strafrecht ist auch als Einsatzkraft in Thüringen tätig.

00:19:39: Einfall zum Thema im Jahr 2018 hat sich ihm ins Gedächtnis gebrannt.

00:19:43: Es war ein Einsatz der Feuerwehr in Kranichfeld,

00:19:46: dass die eben bei der Türöffnung mit Benzin überschüttet wurden und versucht wurde,

00:19:50: das Benzin anzuziehen.

00:19:51: Und das war dann auch für Thüringer verhältlich sein,

00:19:54: unerscheinlich krasser Fall, der uns gerade beim Thüringer Feuerwehrband damals zum Nachdenken gebracht hat.

00:20:01: Denn bis dahin war für uns "Gewalt gegen Einsatzkräfte" so ein großständiges Phänomen.

00:20:07: Zwischenzeitig müssen wir für uns alle eingestehen,

00:20:09: dass "Gewalt gegen Einsatzkräfte" überall in Deutschland zu jeder Zeit geschehen kann in der einen oder anderen Vor.

00:20:15: Dennoch räumt der ein, im eher ländlich strukturierten Thüringen sei das Bild ein grundlegend anderes als beispielsweise in Berlin.

00:20:22: Klar, wo mehr Menschen und damit mehr Problemlagen zusammenkommen, sind auch Einsatzkräfte ganz anders gefordert.

00:20:28: Allein das Tragen der Feuerwehruniform könne dann im Zweifelsfall Gefahren bergen,

00:20:32: beziehungsweise ungewollte Reaktionen hervorrufen, erzählt Lars Oschmann.

00:20:37: Es ist insgesamt festzustellen, dass wir hier das, was wir gesellschaftlich insgesamt verzeichnen,

00:20:43: auch für die Feuerwehranfälzstellen, dass eben Menschen sich eher gegen den Anführungs- und Schwachungsstaat

00:20:50: zur Wehr setzen und meinen, sich hier zu artikulieren oder eben auch Einsatzkräfte direkt anzugreifen.

00:20:58: Das liegt einfach daran, dass Uniform und damit diese Verbindung zwischen Uniform und dem Staat

00:21:04: eben so ein rotes Tuch ist, wo sich Menschen denken, wenn sie uns angreifen, den Staat auch angreifen.

00:21:11: Allein die Uniform von Einsatzkräften beziehungsweise die Einsatzkleidung ist für viele durchaus ein Signal,

00:21:17: dass jetzt der Staat irgendeine Maßnahme trifft.

00:21:20: und man sich gegen den Staat aufwiegelt, indem man dann eben auch den Uniformierten

00:21:26: den Trägereinsatzkleidung angreift.

00:21:28: Kein rechtlich werden Übergriffe nach den Paragrafen 113 bis 115 im Strafgesetzbuch geahndet.

00:21:35: Hier geht es um den Widerstand gegen oder den tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte

00:21:40: bzw. Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen.

00:21:43: Hinzu kommen Rechtsvorschriften aus dem allgemeinen Strafrecht, zum Beispiel der Paragraf zur Körperverletzung.

00:21:49: Mit einer Gesetzesnovelle wurde 2017 der Strafrechtsparagraf 113 so umgestaltet,

00:21:55: dass er den spezifischen Unrechtsgehalt bei einem Angriff auf Repräsentanten des Staates verdeutlicht.

00:22:01: Denn Übergriffe auf Einsatzkräfte seien eben keine Beleidigungen oder Körperverletzungen

00:22:06: im herkömmlichen Sinn betont Glasoschmann.

00:22:08: Es seien auch Angriffe auf Staatsstrukturen.

00:22:11: Und genau dem wirkt die Strafrechtsverschärfung entgegen.

00:22:14: Sie habe bereits positive Veränderungen gebracht, meint der Feuerwehrmann.

00:22:18: Naja, unsere Wahrnehmung hat sich durchaus getan, dass der Gesetzgeber durch eine Strafschärfung darauf reagiert hat,

00:22:24: indem er eben die Einsatzkräfte im Feuerwehrhilfsorganisationen, TAW, besser schützt.

00:22:31: Polizei stellt nicht immer diese Verfahren gleich ein, sondern es gibt auch Sonderdezernate bei der Polizei.

00:22:38: Es gibt Sonderdezernate bei der Staatsanwaltschaft, die sich nur mit diesem Thema beschäftigen

00:22:43: und die dann eben auch viel stärker präsenter wissen, wie diese Themen dann eben auch im gerichtlichen Verfahren superarbeiten sind.

00:22:52: Und wir stellen eben auch fest, dass Gerichte, das dann auch nicht mehr so labidar abtun nach dem Motto,

00:22:56: da haben sich halt zwei angepöbelt, sondern durchaus das Bewusstsein haben,

00:23:00: hier hat einer einen anderen angepöbelt und der andere war für den Staat unterwegs.

00:23:05: Der war als Einsatzkraft unterwegs, der war als Mensch unterwegs, der auch einem anderen helfen wollte.

00:23:10: Und dass das eben eine andere Qualität hat, als ob sich da zwei ganz normal auf der Straße angepöbelt werden.

00:23:16: Sonderdezernate gibt es mittlerweile in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hessen.

00:23:21: Mecklenburg-Vorpommern diskutiert darüber.

00:23:24: Das Ziel sollte laut Lars Oschmann sein, dass in jedem Bundesland solche Dezernate bei den Staatsanwaltschaften bestehen.

00:23:30: Nur so könnten Gerichte dafür sensibilisiert werden, dass es sich bei Gewalt gegen Amtsträger*innen nicht um Einzelfälle handelt.

00:23:37: Es müsse darum gehen, dass der Rechtsstaat Stärke demonstriere, denn nur konsequente Strafverfolgung schrecke ab

00:23:43: und sorge dafür, dass Angriffe zurückgehen.

00:23:46: Außerdem wirke sich das auch auf das Anzeigeverhalten positiv aus.

00:23:50: Wenn sich Feuerwerkkräfte ernst genommen fühlen und tatsächlich Verurteilungen wahrnehmen,

00:23:55: seien sie auch eher, Gewildvorfälle zu melden.

00:23:58: In der Vergangenheit wurde das geringe Anzeigeverhalten immer wieder als strukturelles Problem beschrieben.

00:24:03: Die Gründe für die Zurückhaltung beschreibt Lars Oschmann genauer.

00:24:06: Viele Einsatzkräfte wollten sich keinem aufwendigen Verfahren stellen und Situationen noch einmal durchkauen, sagt er.

00:24:12: In ihrem Kopf kreisten auch Gedanken wie diese.

00:24:15: Dann stehe ich dann mit der Verteidiger mich dann befragt, noch ist blöder da, dass ich das noch provoziert hätte oder sonst was.

00:24:21: Und das will ich mir nicht antun.

00:24:22: Hier müssen wir sagen, ein klares Nein.

00:24:24: Du kriegst Hilfe, du stehst nicht allein im Strafverfahren.

00:24:27: Und wichtig ist, dass du deinen Fall schilderst und der Justiz zeigst, wie du abvorgewürttet bist,

00:24:33: damit zukünftig eben nicht viele deiner Kolleginnen und Kollegen, Kameraden, Kameraden, dann Opfer solche Straftaten werden.

00:24:40: Und für Feuerwehrführungskräfte ist es hier vor allen Dingen wichtig, das Opfer, also die Kameraden, Kameraden abzuholen,

00:24:46: eben Hilfeleistungen zu zeigen.

00:24:49: Das heißt also, wenn im Strafverfahren was kann ihm da helfen, aber eben auch für seine Gesundheit, psychologische Betreuung.

00:24:56: Wo kann ich mich hinwenden? Mit wem kann ich sprechen?

00:24:59: Das ist auch besonders wichtig, damit ich zukünftig auch mit dem erlebten umgehen kann.

00:25:04: Was hier deutlich wird, das Team spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung übergriffiger Erlebnisse.

00:25:10: Unterstützung und Zusammenhalt braucht es, um mit Erfahrungen fertig zu werden, um eine Rückennstärkung und Armutigung zu erfahren.

00:25:18: Vor allem für Menschen, die sich ehrenamtlich in der Feuerwehr engagieren.

00:25:21: Denn hier geht es darum, freiwillige dauerhaft im Dienst zu halten.

00:25:25: Deshalb gewinnt der gemeinsame Dialog ein Bedeutung. Und es gibt noch einen anderen Grund, der Kommunikation zwingend auf die Agenda setzt.

00:25:33: Gewaltsame Übergriffe haben das Potenzial, Vorurteile innerhalb einer Kameradschaft zu schüren.

00:25:38: Diese Westernaht 2022 hat das klar vor Augen geführt.

00:25:42: Aus der Debatte um Gewalt gegen Einsatzkräfte wurde binnen kürzester Zeit eine Debatte um Migration bzw. Integration.

00:25:49: Rassistische Stereotype und Argumentationen wurden öffentlich bedient.

00:25:53: Und diese mediale Diskussion bleibt hängen.

00:25:55: Das hat auch der Deutsche Feuerwehrverband erkannt und den Psychologen und Autor Ahmad Mansour nach einer Erklärung gefragt.

00:26:02: Auf einem Bundesfachkongress im vergangenen Jahr ordnete Ahmad Mansour diese Westernaht ein.

00:26:07: Angriffe führte eher auf Sozialisierung, beispielsweise in patriarchalen Strukturen zurück.

00:26:12: Die Bereitschaft zur Gewalt sei dann in Stresssituationen und mitunter auch unter Einfluss von Drogen und Alkohol oftmals ein Mittel, die eigene Minderwertigkeit zu kompensieren.

00:26:22: Auch nehmen einige Personen mit oder ohne migrantischen Background Einsatzkräfte als schwach war.

00:26:27: Das Liege an der so empfundenen fehlenden Staatsmacht unserer freiheitlichen Gesellschaft.

00:26:32: Sie wird mitunter so erlebt, weil sich in autoritären Regimen mancher Herkunftsländer Staatsmacht ganz anders nämlich repressiv darstellt.

00:26:40: Auf der Suche nach Erklärungen verdeutlicht das Bemühlen des Deutschen Feuerwehrverbandes, Dingen auf den Grund zu gehen.

00:26:46: Und damit vorschnellen Vorurteilen, die sich innerhalb der Wären ausbreiten könnten, die Kraft zu nehmen.

00:26:51: Denn jede Analyse, mag sie auch kritisch sein, wirkt Stammtischparolen und möglicher gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegen.

00:26:58: Und das braucht es, das unterstreicht Glasoschmann.

00:27:01: Das Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte hat natürlich immer auch Sprengstoff in die Organisation selbst hinein.

00:27:07: Kann es natürlich dadurch passieren, dass wenn man sehr häufig Opfer von Gewalt wird,

00:27:13: dass man dann auch irgendwann sich abschottet in seiner Kameradschaft und dann auch spezielle Vorurteile pflegt und hegt und das gilt es dann aufzubrechen.

00:27:21: Also hier ist es wichtig, dass man als Feuerwehrführungskraft in seine Truppe reinhört und dann eben auch versucht,

00:27:28: gegen zu steuern, wenn es gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen geht, dass man da versucht, das Verständnis dann eben auch bei den Feuerwehrleuten zu wecken.

00:27:37: Nach dem Motto, was könnte denn Hintergrund des Allens sein? Inwieweit können wir durch unser Verhalten das auch ändern,

00:27:44: dass wir nicht sogar als Betrohung auch von gegenüber wahrgenommen werden, indem der andere dann mit Betrohung wieder reagiert.

00:27:52: Aber das möchte ich auch vorneweg sagen, für uns ist das Wichtigste, die Hilfe gegenüber in notgeradenen Menschen.

00:27:58: Und das geht vor und da ist es manchmal eben auch angezeigt, nicht Rücksicht zu nehmen, sondern so schnell wie möglich zu handeln.

00:28:06: Das kann natürlich betrohlich für irgend einen wirken, nach dem Motto, dass er dann dagegen vorgehen muss.

00:28:11: Aber ich will hier jetzt nicht umkehren, nicht sagen, dass derjenige, der uns angreift, das Opfer ist,

00:28:17: in einem Gegenteil der Sertäter, das muss auch so klar kommuniziert werden.

00:28:21: Uns geht es aber vor allen Dingen darum, wie kann ich bessere Kommunikation vorbereitet sein, wie kann ich besser im Einsatzablauf darauf reagieren.

00:28:30: Um die Kommunikation zu verbessern, gibt es inzwischen ein zentrales Angebot in den Strukturen der Feuerwehr.

00:28:36: Ausgebildete Demokratieberater und Beraterinnen im Rahmen von Zusammenhalt durch Teilhabe, kurz ZTT.

00:28:42: Das Programm will Demokratie in Vereinen und Verbänden stärken.

00:28:46: In Thüringen arbeitet Denny Saul als Referent des ZTT-Projekts Einmischen mitmachen Verantwortung übernehmen.

00:28:53: Hierfür werden unter anderem Multiplikatorennen und Beraterinnen geschult, die bei Konflikten in der Währ helfen und kommunikativ vermitteln.

00:29:00: Aus den eigenen Reihen heraus und in der Sprache der Feuerwehr.

00:29:04: Die entstehenden Konfliktlagen sind dabei ganz unterschiedlich.

00:29:07: Generationen-Clashes, problematisches Verhalten, Verbandsinternen.

00:29:11: Ein Aspekt können auch Gewalterfahrungen sein, denn auch sie werfen in der Kameradschaft im Team Themen auf.

00:29:18: Um das genauer zu erklären, geht Denny Saul in seiner Berufserfahrung etwas weiter zurück.

00:29:23: Bevor er anfing, im Landesfeuerwehrverband Thüringen zu arbeiten, war er in Sachsen bei einem freien Bildungsträger beschäftigt.

00:29:29: Damals schulte er Einsatz- und Führungskräfte in interkultureller Kompetenz und Öffnung.

00:29:35: Aus dieser Zeit ist ihm noch sehr präsent, wie Gewalterfahrungen zum Beispiel Vorurteile innerhalb einer Organisation schüren können.

00:29:42: Denn damals kamen viele Geflüchtete in Deutschland an.

00:29:45: Das führte nicht nur gesamtgesellschaftlich, sondern auch bei den Wehren zu ganz neuen Debatten.

00:29:50: Gewalterfahrungen können natürlich Radikalisierungstendenzen begünstigen,

00:29:54: gerade wenn Personengruppen nichts vorher miteinander zu tun hatten.

00:29:58: Ich spreche jetzt mal von Feuerwehr und zum Beispiel von Migrantinnen und Migranten.

00:30:03: Als 2015/16 die Einsatz-Szenarien sich geändert haben,

00:30:07: gab es natürlich gewisse Unsicherheiten auf beiden Seiten, sowohl auf Seiten der Einsatzkräfte.

00:30:11: Was müssen wir jetzt tun? Wie können wir kultursensible umgehen? Auf was müssen wir achten?

00:30:15: hingegen bei den Migrantinnen und Migranten, die das Feuerwehrsystem nicht kennen,

00:30:18: die das dann eher mit militärer Strukturen verwechselt haben.

00:30:21: Und so kam es auch zur Auseinandersetzung bei Einsätzen.

00:30:24: Man muss sagen, das war die Minderheit, nicht die Mehrheit. Es gab Einzelfälle.

00:30:28: Aber wenn eben jemand, der noch keine Erfahrung mit Geflüchteten hatte oder mit anderen Personengruppen, ethnischen Gruppen,

00:30:34: dann auf einmal eine Gewalterfahrung macht, dann verstärken sich natürlich Vorteile und Stereotype, wenn man denn welche hat.

00:30:41: Die dann wieder aufzubrechen, schwierig.

00:30:42: Und hier möchte ich vielleicht noch mal aus den Sozialwissenschaften eine Übertese mit einführen vom Alport, der gesagt hat,

00:30:49: dass Vorteile und Stereotype sich abbauen, wenn man eben miteinander ins Gespräch kommt, wenn man Kontakt hat zu den jeweiligen Personengruppen.

00:30:56: Solchen Herausforderungen nehmen sich ZTT an und Versuche zu sensibilisieren.

00:31:01: Zugleich funktionieren die bundesweit angesiedelten Projekte mit ihren Konflikt- und Demokratieberater*innen

00:31:06: auch als eine Art Radar für den Fall das Stimmungen innerhalb einer Kameradschaft kippen.

00:31:11: Zum Beispiel, wenn einzelne Unterbelastungen leiden, die durch das Erleben von Übergriffen entstanden sind.

00:31:16: Solchen Herausforderungen nehmen sich ZTT an und Versuche zu sensibilisieren.

00:31:21: Zugleich funktionieren die bundesweit angesiedelten Projekte mit ihren Konflikt- und Demokratieberater*innen

00:31:27: auch als eine Art Radar für den Fall das Stimmungen innerhalb der Kameradschaft kippen.

00:31:31: Zum Beispiel, wenn einzelne Unterbelastungen leiden, die durch das Erleben von Übergriffen entstanden sind.

00:31:37: Das Erleben von Gewalt kann mit unterakute Auswirkungen auch auf den Gesundheitszustand der Betroffenen haben.

00:31:43: Ich rede jetzt nicht nur von körperlichen Folge-Esscheinungen, sondern vor allen Dingen von den psychischen Folgen,

00:31:47: die bis hin zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen können.

00:31:50: Wir reden dann von Flashbacks, von Albträumen, von sozialer Distanz, von Schlafstörungen und dergleichen mehr, also einen klaren Krankheitsbild.

00:31:57: Und für Führungskräfte ist es, glaube ich, wichtig, genau darauf zu achten, wenn sich Kameraden und Kameraden innerhalb der Truppe verändern.

00:32:03: Sprich, wenn der Kamerad, der früher laut war, auf einmal ganz leise wird.

00:32:06: Wenn derjenige, der super engagiert war, nicht mehr zum Einsatzdienst oder nicht mehr generell zum Einsatz kommt oder zur Weiterbildung.

00:32:12: Das können Anzeichen für gewisse Störungen sein und dann heißt es als Führungskraftwerführer sich zum Bürgermeister hinzubegeben,

00:32:20: sie sagen hier, wir brauchen da Unterstützung.

00:32:23: ZTT leiste in diesem Zusammenhang einen wichtigen Beitrag, meint Denny Saul.

00:32:27: Das Angebot setzt konkret dabei an, zwischen verschiedenen Stellen zu vermitteln.

00:32:31: Es fungiert als Anlaufstelle innerhalb der Feuerwehr und als Kommunikationskanal nach außen.

00:32:37: Das heißt zwischen Einsatzabteilung und Führungskräften, aber auch hin zur Kommune, also dem hier angesprochenen Bürgermeister.

00:32:44: Immer wieder häuften sich Anfragen mit dem gleichen Ausgangspunkt, so der Projektreferent.

00:32:49: Einsatzkräfte meldeten sich mit Problemen, die meist die internen Strukturen von Feuerwehr betreffen.

00:32:54: Und sie wissen dann nicht, wohin sie diese Themen adressieren sollen.

00:32:57: Genau diese Lücke besetzt ZTT.

00:33:00: Das Programm fängt mit seinen Beratungsstrukturen Konflikte auf.

00:33:03: Dafür werden Einsatzkräfte in guter Kommunikation, Mediation und Problemlösung geschult.

00:33:08: Sie fungieren als niederschwellige Ansprechpersonen, für den Fall des Streit, Unmut, Frust oder Überbelastung für Probleme sorgen.

00:33:16: Parallel dazu schaffen die ZTT-Projekte in elf Landesverbänden öffentliche Begegnungsräume,

00:33:22: in denen sich Feuerwehraktive austauschen, in denen sie voneinander lernen können.

00:33:26: Hier entsteht ein Ort der Debatte, zum Beispiel bei Regionalkonferenzen, auf digitalen Fachtagen in Leitbildprozessen.

00:33:33: Bei all diesen Angeboten geht es darum, die Herausforderungen und Chancen von Feuerwehr zu diskutieren,

00:33:38: Wissen zu teilen, Kompromisse zu finden und gemeinsame zeitgemäße Werte zu definieren,

00:33:44: damit alle Menschen an Feuerwehr mitgestalten können und wollen.

00:33:48: Gefördert und gestärkt wird damit die demokratische Kultur innerhalb der Organisationsstruktur.

00:33:53: Was konkret ZTT verändert, beschreibt Danny Saul so.

00:33:57: Durch unsere Beratungsstrukturen, die wir im Verband haben,

00:34:00: das heißt, wir haben in jedem Landkreis ausgebildete Beraterinnen und Berater, die bei Konflikten helfen können,

00:34:05: die aber auch Bedarfe aufnehmen und uns sozusagen an den Landesverband spielen,

00:34:10: können wir auf gewisse Anliegen reagieren.

00:34:13: Diese Anliegen können Probleme im Einsatz geschehen sein, die können aber auch Probleme im zwischenmenschlichen Bereich sein.

00:34:20: Das Schöne am Bundesprogramm ist, dass ich im Hauptamt das Ehrenamt bei den unterschiedlichsten Herausforderungen unterstützen kann.

00:34:26: Das kann die Durchführung einer Veranstaltung sein oder eben bei der Konfliktbearbeitung vor Ort.

00:34:31: Somit leisten wir eben einen kleinen Beitrag zur Stärkung des Ehrenamtes und im Großen auch zur Stärkung der ZW-Gesellschaft,

00:34:36: was natürlich auch eine wichtige Säule der Demokratie ist.

00:34:39: Sprich, das Bundesprogramm stellt uns Ressourcen und Expertise zur Verfügung, mit denen wir in der Fläche arbeiten können.

00:34:45: Das macht es so besonders.

00:34:47: Dass der konstruktive Umgang das Ansprechen von Konflikten wichtig ist, erklärt sich noch ganz anders.

00:34:53: Negative Alltagserfahrungen bewirken nicht nur, dass sich Vorurteile festigen, auch die Motivation leidet.

00:34:59: Gerade in Sachen freiwillige Feuerwehr steht dann schnell die Frage im Raum, was bringt es, dass ich mich engagiere?

00:35:05: Was habe ich davon?

00:35:06: Und auch in der Berufsfeuerwehr ist diese Frage zentral, denn Brand- und Katastrophenschutz brauchen wir als Gesamtgesellschaft.

00:35:13: Und so sollte auch allen daran gelegen sein, dass Menschen weiter gern in der Feuerwehr aktiv sind und nicht dabei ausbrennen.

00:35:19: Deshalb müsse es nicht nur darum gehen, Mitglieder in der Feuerwehr zu halten, sondern auch Neue zu gewinnen.

00:35:25: Und das parallel zur medialen Präsenz des Themas Gewalt.

00:35:28: Eine Herausforderung, meint Danny Saul.

00:35:31: Natürlich ist Motivation ein wichtiger Faktor, gerade im Ehrenamt, weil die Leute nicht bezahlt werden, sondern es sind andere Anreize, um das zu tun.

00:35:39: Von Abenteuerlos bis Gemeinschaftsgeist.

00:35:41: Und allein, dass es den O-Stand gibt, dass Leute Menschen in Notlagen helfen, ist ja für sich genommen, braucht es ja eine höchste Anerkennung aus der Gesellschaft heraus.

00:35:49: Und wenn Einsatzkräfte negative Erfahrungen machen, also Gewalterfahrungen, dann trägt das eben nicht zur Motivation bei, in den Wehren zu bleiben.

00:35:56: Oder sich dafür zu entscheiden, das Ehrenamt zu machen, Stichwort Quereinsteiger.

00:35:59: Aber nur für Thüringen sprachen, sehe ich da jetzt noch keine Anzeichen, dass Menschen austreten, weil sie Gewalterfahrungen erlebt haben oder ähnliches.

00:36:07: Thüringen sind die Zahlen eher gering.

00:36:09: Wenn nach außen hin sichtbar wird, dass Feuerwehr dem Phänomen aktiv begegnet und Dinge gestaltet, ist das ein entscheidender Schritt, die Motivation hochzuhalten.

00:36:18: Zentral ist auch Einsatzkräften das nötige Handwerkszeug mitzugeben, um sich vorbereitet und sicher zu fühlen.

00:36:24: Die Antwort sind Deeskalations- und Selbstsicherheitstrainings.

00:36:28: Sie werden zunehmend angeboten und die Nachfrage steigt, das beobachtet Denny Saul.

00:36:32: Wie Feuerwehrkräftesituationen ungewollt eskalieren, aber auch gezielt deeskalieren können, wird in diesen Schulungen vermittelt.

00:36:40: Der ZDT-Referent erklärt das im Detail.

00:36:43: Ich nehme mal das Beispiel der Treppe, weil SKE kommt aus dem Französischen und heißt die Treppe.

00:36:47: Und deeskalieren heißt sozusagen, wie gehen wir die Treppe nicht nach oben, die Eskalationstreppe, sondern wieder nach unten.

00:36:53: Und Dinge, die gut funktionieren, gerade in der Kommunikation ist, dass man eben auf Augenhöhe und respektvoll im Einsatz agiert.

00:36:59: Das ist nicht immer bei Einsatzkritischen und zeitkritischen Einsatzlagen, ist es nicht immer leicht handelbar.

00:37:05: Dennoch gilt es darauf zu achten, dass man eben den Respekt wartet und freundlich bleibt.

00:37:09: Immer Dinge erklärt, vielleicht auch keine Angriffe verbal vollzieht.

00:37:13: Im Sinne von du musst jetzt und du, du kannst nicht das, sondern das, was wir mal aus dem Fonds verlassen.

00:37:18: Dass man, naja, aber auch guckt, dass es gewisse Fluchtwege für einen selber offen bleiben, wenn es dann doch zu weit geht.

00:37:26: Dass man diese Distanzzone einhält.

00:37:28: Na ja, aber auch die Macht, die man hat vielleicht als Einsatzkraft nicht ausnutzt.

00:37:32: Im Sinne von naja, was ich sage, ist hier Gesetz und du hast nicht zu sagen, solche Dinge begünstigen natürlich in der Eskalation.

00:37:39: Angebote wie diese finden noch nicht flächendeckend statt.

00:37:42: Nicht jede kleine Ortsfeuerwehr habe Zugang zu solchen Möglichkeiten.

00:37:46: Manchmal fehle es am Bewusstsein für das Thema, manchmal an Kontakten zu Menschen und Organisationen, die Weiterbildungen anbieten.

00:37:53: Daher müsse Feuerwehr weiter werben, auf Chancen und Notwendigkeit immer wieder hinweisen.

00:37:58: Wenn es um den konstruktiven Umgang mit Gewalterlebnissen geht, ist Prävention und Ausbildung nur ein entscheidendes Beispiel für gute Praxis,

00:38:05: die nach innen, also in die Strukturen von Feuerwehr hineinwirkt.

00:38:09: Ein weiterer wichtiger Baustein ist ein vereinfachtes Meldesystem bei Übergriffen.

00:38:14: Hier geht es erst einmal darum, Vorfälle zu sammeln und Anzeigehemmnisse abzubauen.

00:38:19: Es muss sich nicht unbedingt eine Strafanzeige anschließen.

00:38:22: Anfang 2022 wurde beispielsweise das webbasierte innovative Meldewaterfassungssystem Gewaltübergriffe in Nordrhein-Westfalen eingeführt.

00:38:31: Es soll schnell und unkompliziert Vorfälle dokumentieren und Hilfsangebote für Betroffene damit verknüpfen.

00:38:38: Gegebenenfalls wird eine psychologische Unterstützung vermittelt.

00:38:42: Auch Initiativen wie der Verein Helfer sind tabu, leisten einen Beitrag, um Öffentlichkeit herzustellen.

00:38:48: Ebenso wie jede Begegnung zwischen Feuerwehrkräften und Schulkindern und zählige Social Media-Aktionen einzelner Feuerwehrverbände

00:38:55: und auch die direkte Begegnung mit Menschen, so wie beispielsweise in Berlin.

00:39:00: In Reaktion auf die Silvesternacht 2022 werden in sogenannten Problemvierteln Fußballtoniere veranstaltet,

00:39:07: um in den Dialog zu kommen und Feuerwehr niedrigschwellig zu erklären.

00:39:11: Damit soll der Respekt gegenüber den Personen hinter der Uniform steigen.

00:39:15: Für die junge Wachabteilungsleiterin Jana Lehmann aus Berlin sind all das gute Ansätze.

00:39:20: Alles was Gewalt gegen Einsatzkräfte nach außen hinsichtbar macht, hilft in ihren Augen, um Veränderungen herbeizuführen.

00:39:26: Auch sie möchte Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit für die Feuerwehr nutzen und konstruktive Ideen einbringen.

00:39:32: Was sie sich darunter genau vorstellt, beschreibt sie als eine Art Sensibilisierungstraining.

00:39:37: Sowohl auf Seiten der Feuerwehr als auch im Gespräch mit Menschen, die die Feuerwehr im Notfall kontaktieren.

00:39:43: Also in Bezug auf die Einsatzkräfte würde ich sagen, dass man gerade was dieses Präventive angeht,

00:39:48: in den Kosen auch einfach darauf eingeht, welche Rolle haben sie selbst gegenüber den Patienten.

00:39:53: Da ist nämlich eine Sache aufgeploppt in den Interviews, die fand ich sehr interessant.

00:39:56: Das Vertrauensverhältnis, dass die Leute uns eben einerseits klar idealisieren, aber gleichzeitig vertrauen sie sich ja auch an.

00:40:03: Sie lassen uns in ihre Wohnungen, also finden die auch teilweise Situationen vor, die sehr unangenehm sind.

00:40:09: Und dass man da einfach gleich so ein Vertrauensvorschuss hat und ein Vertrauensverhältnis relativ schnell aufbaut,

00:40:15: dass man natürlich nichts zerstören darf.

00:40:17: Da muss man auch natürlich als Einsatzkraft sensibilisiert werden und ein bisschen darauf achten.

00:40:23: Aber genau andersherum, ich mir eben wünschen würde, dass in der Bevölkerung mehr Verständnis geschaffen wird.

00:40:31: Dass man sich ein bisschen mehr mit Feuerwehr auseinandersetzt, weil diese Idealisierung,

00:40:36: diese vermeintliche, rührt ja vielleicht auch einfach daher, dass man im Alltag überhaupt keine Berührungspunkte mit der Feuerwehr hat,

00:40:41: sondern erst in dem Moment, wo man wirklich ein Problem hat und dann eben die Feuerwehr da in diese Notsituation reinkommt, als der vermeintliche hält.

00:40:49: In ihrem Alltag hat das Thema gewiss eine andere Präsenz.

00:40:53: Wo viele Menschen mit unterschiedlichen Backgrounds und Problemen aufeinandertreffen,

00:40:57: entsteht mehr Reibung als in vergleichsweise ländlich geprägten Räumen.

00:41:01: So oder so.

00:41:02: Jana Lemans abschließender Appell ist einer, der allen Einsatzkräften zugute kommt.

00:41:06: Ob Grenzüberschreitungen leider bereits zum Alltag gehören oder Einzelfälle darstellen.

00:41:12: Ihr ist es wichtig, dass Menschen kurz überlegen, bevor sie impulsiv übers Ziel hinaus schießen.

00:41:17: Wenn irgendwo ein Löschfahrzeug oder ein Rettungswagen mit Blau steht,

00:41:21: dann ist meistens jemand gerade in Not und benötigt Hilfe und dass die Leute sich da einfach mal ein bisschen mehr Gedanken drüber machen,

00:41:27: dass wir gerade versuchen, jemanden zu helfen und dass es dann einfach nicht angebracht ist,

00:41:32: da jetzt auf Biegen und Brechen sich seinen Wege recht einzufordern und vielleicht durch die Einsatzstelle zu fahren,

00:41:37: vielleicht noch die Kollegen irgendwie anzupöbeln, dass die Leute sich einfach mal im Kopf darüber machen,

00:41:42: was sie erwarten würden, wenn sie selbst die Betroffenen sind.

00:41:46: Das Stichwort ist Empathie.

00:41:48: Wenn Einfühlungsvermögen ausgeprägt ist, werden Stresssituationen wie etwa bei Noteinsätzen tendenziell weniger in Aggression umschlagen.

00:41:56: In diesem Zusammenhang ist eine Studie der Universität Jena von 2021 erwähnenswert.

00:42:02: Sie hat gezeigt, dass das Empathievermögen in der Corona-Pandemie gelitten hat.

00:42:06: Denn, so ein Befund, soziale Inaktivität durch Isolation und Kontaktbeschränkungen schwächt das Empathievermögen.

00:42:15: Mit Begegnungsformaten, Austausch und Konfliktmanagement einen Gegentrend anzustoßen, ist damit eine lohnende Strategie.

00:42:22: Und Feuerwehr ist in dieser Hinsicht sehr umtriebig.

00:42:25: [Musik]

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.